12. Juni 2013

In der Mongolei

Wie vom Bäcker mit einem Spritzsack hingetupft…

Nachdem es auch am Grenzübergang zur Mongolei nochmals etwas Geduld gebraucht hat, treffen wir am Morgen um 6:10 trotzdem pünktlich in Ulan Batoor, der Hauptstadt der Mongolei ein. Kurzer Abschied von den Mitreisenden mit den üblichen Floskeln („Hope to see you again!“, „Man sieht sich!“ usw.), dann geht jeder wieder seiner Wege. Meiner ist vorbestimmt. Ich folge der Dame, die mit einem Schild, auf dem mein Name steht, am Perron wartet.  Irgendwie ist es schon lässig, wenn man an einem wildfremden Ort von jemandem erwartet wird.

Die Stadt ist noch nicht so ganz wach, deshalb hält sich der Verkehr im Rahmen. Vor uns fährt eine Auto-Kolonne mit blinkenden Pannenlichtern. Unfall? Stau? Kein’s von beidem, klärt mich meine Begleiterin auf, die Leute fahren zu einer Beerdigung. Na, wenn das mal kein gutes Omen ist. Etwa 40-50 Autos sind es, die in diesem Konvoi mitfahren. Vom ‚normalen’ Auto, über den PickUp bis zum Kleinlastwagen fährt hier jeweils jeder mit, der mit dem Verblichenen während seines irdischen Daseins in irgendeiner Weise verbunden war. Auch für uns hat diese Prozession Auswirkungen: wir brauchen eine gute halbe  Stunde, bis wir auf der tückischen Strasse (Schlaglöcher!) den letzten Warnblinker überholt haben. Aber was soll’s? Ich habe ja Zeit. Und erfreue mich an der wunderschönen Landschaft, die draussen vorbeizieht. Sehe, ‚meine’ erste Jurte (das ist dieses typische Rundzelt, das hier aber nicht Jurte heisst, sondern Ger, weil Jurto nämlich russisch ist und man das hier deshalb nicht so gerne höre, weil, mit den Russen habe man es nicht so, und einfach, damit das klar sei…!).

Wenig später zottelt dann eine Herde Yaks der Strasse entlang. Ich muss lachen. Weil diese urigen Viecher mit ihrem zotteligen Fell so aussehen, als hätten sie einen ausgeleierten, viel zu grossen Pulli an. Modisch den gleichen verfilzten Stil pflegend, tummeln sich zwischen den Yaks ein paar Dutzend verschiedenfarbige Ziegen. Wenn man sie so sieht in ihrer natürlichen Strubheit, hält man es kaum für möglich, dass sie eine der wertvollsten Wolle liefern – Kashmir.

Kurz vor 9 Uhr erreichen wir dann das Jurten-Camp. Als wären sie von einem Zuckerbäcker mit einem riesigen Spritzsack hingetupft worden, stehen die runden Zelte in der Landschaft.  Jurte resp. Ger Nr. 36 wird mir zugeteilt. In gebückter Haltung (die Tür ist gerade mal einen Meter zwanzig hoch), überschreite ich die Schwelle und sehe als erstes eine etwa zwei Zentimeter grosse  Kakerlake die Flucht ergreifen. Ich wohne demnach nicht alleine hier…!

Mir knurrt der Magen. Frühstück ist am ersten Tag zwar nicht inbegriffen, aber Hunger habe ich trotzdem. Aus dem grossen runden Esszelt hört man Stimmen. In einer Sprache, die ich verstehe. Ich gehe hinein und erkenne im Halbdunkel – unter anderem – Jan und Miriam, das junge Schweizer Pärchen, dem ich vor kurzem am Baikalsee, in Bolshie Koty, schon mal begegnet bin. „Freude herrscht!“.

Die Beiden haben auf heute einen Reitausflug gebucht. Ob ich mitkommen wolle? Ich lehne dankend ab. Seit meinem unrühmlichen ersten (und auch einzigen) Ausritt, damals in Kanada, gehören Pferde zu den Dingen, denen ich nicht zu nahe treten möchte. Ich beschliesse daher, die schöne Gegend per Fuss zu erkunden. Dabei lerne ich „Hans“ kennen: Hans ist das Camp-Kamel. Nicht so, wie man jetzt vielleicht meinen könnte. Nein, Hans ist wirklich ein Kamel, ein richtiges – mit zwei Höckern und dem typisch-hämischen Grinsen, wie  es eben nur ein Kamel hinbringt.



Yaks, die lustigen Viecher in ihren ausgeleierten und viel zu grossen Pullis.



„Hans“, das Jurten-Camp-Kamel