17. Juni 2013
Heute ist Besichtigungstour angesagt. Um 9.10 fahren wir los – und stecken schon knapp fünf Minuten später in einem kapitalen Stau. Und zwar in einem von chinesischen Ausmassen. Was hier abgeht, ist mit Worten nur schwer zu beschreiben. Beim Kampf um jeden freien Zentimeter wird links wie rechts überholt, gewendet, in Einbahnen, über Gehsteige und sogar Vorgärten gefahren. Immer auf der Suche nach dem ultimativen Weg, der einem vielleicht die entscheidenden Sekunden schneller ans Ziel bringt. Auch unser Fahrer tut kräftig mit, wobei ihn seine Kreativität leider etwas im Stich lässt – er lässt sich zwischen einem Kleinlaster und einem Autobus einklemmen. Anfängerfehler. Wir sind damit aus dem Spiel. „Rien ne vas plus!“ Ich steige aus und sehe mir die Sache mal aus der Nähe an. Faktisch stehen wir etwa 50 Meter vor der Kreuzung, aber das, was dazwischen ist, ist gewissermassen Chaos hoch drei. Grob geschätzte 100 Fahrzeuge jedweder Gattung (Autos, Lastwagen, Kleintransporter, Einachser und Handwagen) stehen da kreuz und quer durcheinander und jeder versucht auf irgendeine Weise (meist mit Dauerhupen) einen Geländegewinn zu erzielen. Aber es ist aussichtslos. Auf der quer verlaufenden Hauptstrasse, steht eine Riesenkarawane von Kohlelastwagen. Und von denen ist keiner gewillt, auch nur einen Millimeter ‚erfahrenes’ Territorium preiszugeben. Auch dann nicht, wenn er bei solchem Tun mitten auf die Kreuzung zu stehen kommt und so dem kreuzenden Verkehr quasi die Luft abschneidet. Ich sehe unseren Ausflug schon bachab gehen, als der erste Polizist auftaucht und mit vagen Handzeichen versucht, so etwas wie Ordnung in den Zirkus zu bringen. Mit mässigem Erfolg allerdings. Auch als zwei seiner Kollegen auftauchen, wird’s nicht besser – im Gegenteil. Die Jungs sind mit der Situation hoffnungslos überfordert. Dann aber kommt einer, der offensichtlich weiss, wo der Bartli hierzulande den Most holt. Mit zackigen Armbewegungen und permanent in seine laute Trillerpfeife blasend, zeigt er den Leuten auf der Kreuzung, was Sache ist. Vor allem aber, wo’s langgeht. Wie ein Dirigent deutet er mal auf diesen, dann auf jenen Fahrer und scheut sich auch nicht, einen etwas renitenten Lastwagen-Fahrer mit lauter, sehr lauter Stimme erst in die Schranken und dann auf den richtigen Weg zu weisen. Und siehe da – der Knäuel entwirrt sich. Kaum fünf Minuten später rollen auch wir über die Kreuzung.
Gut anderthalb Stunden später erreichen wir dann unser Tagesziel doch noch: das „Hängende Kloster“ von Hunyuan, etwa 80 km ausserhalb von Datong . Und – momoll – es sieht schon ziemlich eindrücklich aus, was die Mönche da an die steile Bergwand ‚montiert’ haben. Abgestützt auf Holzträgern, die aus dem Fels herausragen, kleben die kleinen Pavillons (sie als Häuser zu bezeichnen, wäre angesichts ihrer Winzigkeit wohl etwas übertrieben) an der Wand. Verbunden durch schmale Gänge und steile Treppen sowie Brücken mit wahnwitzig niedrigen Geländern. SUVA-konform ist das Ganze jedenfalls nicht, und wer Höhenangst hat, ist mit Sicherheit (!) gut beraten, sich nicht zu nahe an die Abschrankungen zu wagen. Der guten Ordnung und der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass selbstverständlich auch hier die Buddhas in allen Grössen und Formen vorhanden sind. Und von den Touristen fleissig abgelichtet werden … obwohl ein Verbotsschild explizit darauf hinweist, dies tunlichst zu unterlassen.