20. Juni 2013
Ich hänge in den Seilen. Wie ein angezählter Boxer. Die Mauer hat mich geschafft. Nicht irgendeine Mauer, sondern die „Grosse Mauer“. Dieses gewaltige Bauwerk, das sich 6000 km lang über Berge und Hügel erstreckt und gebaut worden war, um China vor den bösen Mongolen und Mandschuren zu schützen. Die Euphorie war daher gross, als ich den ersten Schritt auf diesem geschichtsträchtigen Bauwerk tat. Und von einem Turm aus erstmals die schiere Grösse dieser monumentalen Mauer erfassen konnte. Ich war sprachlos und überwältigt zugleich und freute mich darauf, endlich losmarschieren zu können. Unwissend, was mich erwarten würde. Denn: über die Mauer marschiert man nicht einfach mal eben so. Die Mauer will erobert werden. Schritt für Schritt, treppauf und treppab. Wobei man sehr schnell lernt, dass Stufen von einem halben Meter Höhe durchaus keine Seltenheit sind. Was dann unweigerlich dazu führt, dass man ‚es’ irgendwann spürt: das Brennen in den Oberschenkeln, das Knacken in den Knien und das turbo-schnelle Klopfen der Pumpe weit oben im Hals. Und wenn man dann – hechelnd wie ein Hund und schnaufend wie eine alte Dampflok – eine weitere der unzähligen Treppen erklommen hat und einem der Schweiss in Sturzbächen den Körper hinunterläuft, wird man erkennen (müssen): Nein, die „Grosse Mauer“ ist wahrlich kein Sonntagsspaziergang. Aber das Gefühl, wirklich und wahrhaftig ‚oben’ gestanden zu sein und zumindest einen Teil davon ‚erobert’ zu haben, dieses Gefühl ist durch nichts zu toppen. Und wenn es doch etwas gäbe, dass dem Ganzen die (Schaum-)Krone aufsetzen könnte, wäre es ein kühles Bier danach.