29. Juni 2013

Container-Schiff „Ever Charming“

Die Lade-Kapazität der „Ever Charming“ scheint schier unermesslich

Die Überfahrt von Hongkong nach Yantian (China) dauert gerade mal vier Stunden. Der Käpt’n lässt mich wecken, damit ich auf der Brücke das Anlegemanöver mitverfolgen kann. Es ist 3.30 Uhr. Der Lotse kommt an Bord. Das ist der Mann, der den Durchblick in diesem unübersehbaren Gewirr von Schiffen und Lichtern hat und die „Ever Charming“ mit knappen Befehlen Richtung Pier dirigiert, wo er sie dann – zusammen mit Kapitän und Steuermann – locker seitwärts in eine Parklücke am Pier stellt.  Ich denke an meine Fahrstunden zurück und die Schwierigkeiten, die ich damals hatte, den fünf Meter langen Fahrschul-Wagen seitlich einzuparken. Die „Ever Charming“ ist 334 Meter lang… !

Nach dem Anlegen bleibt kurz Zeit, eine Mütze Schlaf nachzuholen. Dann geht’s bereits wieder los. Die fünf gewaltigen Lade-Kräne senken ihre überlangen Ausleger übers Schiff – das Be- und Entladen beginnt. Ich stehe erhöht an meinem Ausguck – und frage mich, wie bei den Hunderten, nein, Tausenden von Containern, die hier im 87-Sekunden-Takt (selber nachgemessen) ein- und ausgeladen werden, überhaupt noch jemand den Überblick behält.  In einem Handbuch, das in meiner ‚Kammer’ aufliegt, lese ich nach: Damit die Container-Stellplätze genau benannt werden können, wird das Schiff in sog. „Bays“, „Rows“ und „Tiers“ aufgeteilt. Tönt kompliziert, funktioniert aber im Prinzip wie ein Kreuzworträtsel: Eine „Bay“ (Sektion) markiert den Standort eines Containers in der Längsrichtung, und die „Rows“ (Reihen) geben die Querrichtung an. Wobei bei Letzteren jeweils von der Mitte des Schiffes aus gezählt wird: nach Backbord (linke Seite) in geraden und nach Steuerbord (rechte Seite) in ungeraden Zahlen.

Fehlt noch die 3. Dimension, die Stapelung. Diese wird in der Schifffahrt mit „Tier“ bezeichnet (was aber nichts mit einem solchen zu tun hat, sondern – frei übersetzt –Stockwerke bedeutet). Container, die ‚unter Deck’ im Laderaum untergebracht sind, erhalten – von unten gezählt – die Nummern 02, 04, 06 usw. Und die Container, die auf dem Deck stehen, werden mit 82, 84, 86 usw. nummeriert. Womit dann eigentlich alles klar und jeder Container aufgrund seiner 6stelligen Zahlenkombination auffindbar sein sollte.  Und auch wenn’s schwer zu glauben ist –es funktioniert. Offenbar.

Was aber passiert, frage ich den Käpt’n, wenn in einem Hafen ein Container ausgeladen werden soll, der ganz zuunterst im Stapel ist?  Muss dann zuerst die ganze Beige aufs Trottoir, bevor man an den ominösen Kasten rankommt? „Sowas passiert nicht“, kommt’s überzeugt und wie aus der Pistole geschossen zurück, „dafür sorgen unsere Ladungsoffiziere mit ihren ausgeklügelten Computer-Programmen.“ Und das, liebe  Leute, wäre dann wieder eine ganz andere und diesmal wirklich hoch-komplizierte Geschichte.