31. Juli 2013

Keine Angst vor Piraten

Die selbstgebastelten Security-Dummies sollen die bösen Piraten abschrecken

„Keine Angst vor Piraten?“ Diese und ähnliche Fragen wurden mir im Vorfeld meiner Reise des Öfteren gestellt. Und wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen, dass ich dem gar nicht so viel Bedeutung beigemessen habe. Für mich waren dies Sensationsnachrichten in der Tagesschau und vor allem eines – weit weit weg. Aber hier, auf der „Rickmers Seoul“ ist das Thema tatsächlich präsent. Nicht nur, dass der Kapitän mal beiläufig verlauten liess, dass er schon zwei Mal (!) von Piraten attackiert worden sei, auch der eine oder andere Offizier weiss etwas darüber zu berichten. Zwar nicht selbst Erlebtes, aber immerhin aus erster Hand. Wieviel davon zu halten ist, sei mal dahingestellt, Fakt ist einfach, dass die „Rickmers Seoul“ auf ihrer Reise um die Welt durch einige heikle Zonen fährt, resp. fahren muss. Entsprechend hat man auch das Risiko eines möglichen Piraten-Angriffs einkalkuliert. Und übt mit der Besatzung regelmässig für den Fall des (hoffentlich nie eintretenden) Falles. Das beginnt mit einer Reihe von präventiven Massnahmen.

So wird – sobald man in gefährliche Gebiete einfährt – ein Stacheldraht-Verhau rund um das ganze Schiff installiert. Eine Knochenarbeit, die jeweils zwei volle Tage in Anspruch nimmt. Als Nächstes werden – an gut einsehbaren Stellen auf der Brücke und auf dem Vorschiff – sogenannte „Dummies“ postiert. Selbstgebastelte, mannsgrosse Puppen mit Holzgewehren und grimmig aussehendem Gesichtsausdruck. Obwohl die ‚Kerle’ in ihrer gfürchig-rustikalen Art ziemlich witzig aussehen, könne man sie aus der Distanz nur schwer von ‚richtigen’ Menschen unterscheiden, versichert mir der 1. Offizier im Brustton der Überzeugung. Ich will’s mal so sagen: „Nützt’s nüt, so schad’s nüt!“.

Soweit die präventiven Massnahmen – jedenfalls soweit man sie uns, ohne irgendwelche Geheimnisse zu verraten, erläutert hat (und ich nehme doch schwer an, dass die Leute noch einige weitere Pfeile im Köcher stecken haben, um die bösen Piraten von ihrem üblen Tun abzuhalten).

Sollte jedoch der Fall eines Überfalls trotz allem eintreten, ist der Plan der, dass sich die gesamte Besatzung in das schiffs-eigene „Reduit“ zurückzieht. In die sogenannte „Zitadelle“. Was so hochtrabend nach spät-barockem Gebäude mit schweren Möbeln und teuren Gemälden tönt, ist allerdings nichts anderes als ein simpler Schleusengang im Bauch des Schiffes, in dem man ein paar Kisten Not-Proviant, diverse ausrangierte Matratzen und noch einige Dinge mehr deponiert hat. Und hier, in diesem Zivilschutzkeller aus bleichem Stahl wird die Mannschaft dann ausharren, bis Hilfe von aussen kommt. Was dann schon mal ein paar Tage dauern kann, je nachdem, wie schnell die Navy oder wer auch immer gerade in der Nähe ist, den Eingeschlossenen zu Hilfe eilt. Vielleicht wäre ein „Eile-mit-Weile“, ein 5000-Teile-Puzzle oder sonst ein Geduldsspiel nicht das Schlechteste, das man in diese Unterwelt mitnehmen sollte, geht mir durch den Kopf, als wir über x Treppen wieder aufs Oberdeck und an die frische Luft kommen.



Der Eingang zur „Zitadelle“, dem Notfall-Raum bei einem Piraten-Angriff