20. Juli 2013
23 Stunden in einem Bus zu verbringen, zusammengefaltet wie eine alte Zeitung, ist kein wirklich erstrebenswertes Ziel, kann ich Ihnen sagen. Nicht, wenn man über 1.80 lang und der gross angekündigte „additional legroom“ (zusätzliche Beinfreiheit) nur ein leeres (Werbe-)Versprechen ist. Und nun ist mir auch klar, weshalb die Leute immer so mitleidig (und teilweise sogar süffisant) gelächelt haben, wenn ich erzählt habe, dass ich mit dem „Greyhound“-Bus nach Philadelphia fahren würde. Sowas würde man offenbar nicht mal seinem Hund zumuten. Geschweige denn seinem ärgsten Feind. Wer mit „Greyhound“ fährt, gehört – verkehrstechnisch gesehen – klar zur untersten Kaste. Zu denen, die sich kein Auto leisten können. Oder die (noch) nicht autofahren können oder (nicht mehr) dürfen. Entsprechend durchmischt ist das ‚Publikum’ an Bord: da ist die kaum 20jährige Mutter mit ihren zwei halbwüchsigen, schreienden Kindern, dann die dicke Schwarz mit ihrem billigen, stechend riechenden Parfum, dahinter der Typ mit der fleckigen Baseballkappe, der irgendetwas vor sich hin brabbelt und augenscheinlich einen sitzen hat. Als Farbtupfer dann zwei Mennoniten-Pärchen in ihren typisch altmodischen Kleidern und mit einer Ausdünstung, wie man sie sonst nur in der Männer-Garderobe eines Sportvereins in die Nase bekommt. Kurz und gut: es hat wahrlich ‚allergattig’ Leute im Bus, und ich hoffe einfach, dass mir der grosse schwarze Kerl, der zwei Reihen hinter mir sitzt und mich schon beim Einsteigen so grimmig agemustert hat, in der Nacht nicht klammheimlich ein Messer zwischen die Rippen steckt. Die Situation zwischen Schwarz und Weiss ist nämlich derzeit etwas angespannt. Und zwar deshalb, weil kürzlich ein Weisser einen Schwarzen (in Notwehr?) erschossen hat und von einem Gericht in allen Punkten freigesprochen worden ist. In Anbetracht der subjektiv drohenden Gefahr von hinten, aber auch, weil es wegen der gefalteten Haltung nur die Beine waren, die regelmässig eingeschlafen sind, habe ich selber es letztlich bleiben lassen. Das Schlafen, meine ich.
Um halb sechs abends ist es dann aber (und ich auch) geschafft: pünktlich fahren wir in Philadelphia ein, wo ich sogleich ein Taxi buche und zum Hafen hinausfahre. Die „Rickmers Seoul“, mein Zuhause für die nächsten anderthalb Wochen, ist schon von weitem zu sehen. Ich checke ein, man zeigt mir meine Kammer, und nach der (heissersehnten) Dusche gibt’s dann noch einen kleinen Rundgang mit dem Kapitän. Und es ist offensichtlich, dass hier viel Wert auf Gemütlichkeit gelegt wird. Der Käptn selber (ein Rumäne) gibt das dazupassende Bild ab – so wie ihn stellt man sich einen Kapitän vor: bärtig, untersetzt, stämmig, mit einem, in langen harten Jahren erarbeiteten (Wohlstands-)Bauch.