28. Juni 2013
„8 o’clock in the morning – and don’t be late!“, die gestrigen Worte von Kim Chiung Wen, dem Mann von der Reederei, waren unmissverständlich und klangen noch die halbe Nacht in meinen Ohren. Drum stehe ich am nächsten Morgen schon um 7:17 Uhr (sicher ist sicher) am vereinbarten Ort. Mit „8 o’clock sharp“ (genau 8 Uhr) wird’s dann aber trotzdem nichts. Der Fahrer hat eine gute Viertelstunde Verspätung. Mindestens. Na ja, Hauptsache ich bin drin – im Auto, das mich zum Hafen bringt.
Das Schiff liegt bereits am Quai. Ein Riesenkasten. Wenn man nach oben schaut, renkt man sich schier das Genick aus. Backbord (in Fahrrichtung links, soviel habe ich bereits gelernt) führt eine lange steile Treppe nach oben – die sogenannte Gangway. Und erst wenn man diese hochgegangen ist, bekommt man den ultimativen Eindruck von den gewaltigen Ausmassen dieses Kolosses. „Lange Zeit gehörte die „Ever Charming“ zu den grössten ihrer Art“, klärt mich die deutsche Schiffs-Mechanikerin auf, die heute ebenfalls an Bord geht. Ich bin beeindruckt. Ob beidem. Der Dimension des Schiffes und der Tatsache, dass eine Frau auf diesem Mega-Teil als Schiffs-Mechanikerin Dienst tut.
Mit dem Lift geht’s ein paar Stockwerke nach oben. Der Kapitän höchstpersönlich zeigt mir die Kabine, welche im Schiffsjargon schlicht „Kammer“ genannt wird. Und damit der Situation in keiner Weise gerecht wird. Denn, was sich hinter der mit „Supercargo“ und meinem Namen beschrifteten Türe offenbart, ist allererste Sahne. So feudal wohnte ich nicht mal im letzten Hotel in Hongkong. Und das hatte immerhin ein paar Sterne. Von daher könnte man ohne Übertreibung sagen, dass mir meine „Kammer“ durchaus passt.
Offenbar bin ich der einzige Passagier an Bord, und damit quasi so etwas wie ein VIP (very important passenger). Anders jedenfalls kann ich es mir nicht erklären, dass es sich der Kapitän (wieder er) nicht nehmen lässt, mich auf eine erste kleine Infotour durch ‚sein’ Schiff mitzunehmen. Wo ich dann erkenne, dass mir die Themen in den nächsten 16 Tagen wohl nicht so schnell ausgehen werden… .
Unterdessen wird unser Schiff weiter beladen. Riesige Kräne lupfen Container um Container aufs Deck, hauptsächlich die langen 40-Füsser, von denen jeder die Grösse eines Lastwagen-Aufliegers hat. Es ist wirklich faszinierend zuzuschauen, mit welcher Geschwindigkeit und Präzision die Hafenarbeiter hier zu Werke gehen.
Um 20:00 sind die Arbeiten abgeschlossen. Das Ablegemanöver verzögert sich aber. Das Problem: der Bugstrahler klemmt, einer der seitlichen Motoren, welcher die „Ever Charming“ vorne vom Pier abstossen sollten. Kurzfristig kommt etwas Hektik auf, doch ebenso schnell folgt die Entwarnung. Die Schiffs-Mechanikerin (wieder sie!) hat die Sache irgendwie hingebogen. Meine Ehrfurcht vor dieser Dame steigt um eine weitere Stufe.
Doch dann geht’s wirklich los: in einem weiten Bogen schiebt sich die „Ever Charming“ aus dem Hafen von Hongkong. Und damit nehme ich auch Abschied von Asien. Ein intensiver Abschnitt, die Land-Etappe durch Asien, geht hier zu Ende. Vor mir liegen 16 Tage Seefahrt. Ich freu’ mich drauf. Es geht über den Pazifik nach Amerika.
Die riesigen Lade-Anlagen im Hafen von Hongkong, einem der grössten der Welt.